Geschichte

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Geschichte

Bild von der Ortstafel
Historische Ortstafel

Die geschichtliche Entwicklung des Ortes Oberreichenbach reicht zurück bis ins 12. Jahrhundert. In der Zeit, da die deutschen Herrscher mit dem Papst in Rom im sogenannten Investiturstreit darum stritten, ob die weltliche Macht den Vorrang in der europäischen Politik über den bischöflichen Hirtenstab ausüben sollte und sich die Kaiser Heinrich IV. und Heinrich V. mit der römischen Kurie in Schmähbriefen und kriegerischen Auseinandersetzungen gegenseitig aufrieben, wird das Land zwischen Aurach und Aisch urbar und kultiviert.

Zwischen dem ersten und zweiten Kreuzzug, im vorletzten Regierungsjahr des greisen Kaisers Lothar von Supplinburg wird 1136 Oberreichenbach erstmals urkundlich erwähnt. In diesem Dokument aus Pergament ist verbürgt, dass Graf Berthold II. von Bergtheim "allodia", das sind freie Familienerbgüter im Gegensatz zu gekauften oder geliehenen Gütern, dem Bamberger Kloster Michelsberg schenkt; denn seine Familie hatte die Vogteirechte (das Richteramt) um Oberreichenbach inne. Der wiederholt in den Urkunden verwendete Ortsname "richpach" lässt sich aus dem Mittelhochdeutschen wohl am besten mit "Ort an einem vollen, großen oder mächtigen Bach" übersetzen. Zur Unterscheidung der beiden auseinanderliegenden Siedlungen an diesem Gewässer wurde im Laufe der Zeit die Bezeichnung Ober- bzw. Unterreichenbach für die erwähnten Orte gewählt.

Seit dem 14. Jahrhundert wird der Raum zwischen Aurach und Seebach deutlich sichtbar von zwei größeren Besitzkomplexen ausgefüllt: vom fürstbischöflichen Amt Herzogenaurach und der Dompropstei Bamberg. Für die Besitzungen in und um Oberreichenbach wird dabei aber vorrangig Herzogenaurach zuständig; doch auch die Bamberger Bischofskirche, reiche Nürnberger Patrizier und die Nürnberger Markgrafen haben immer wieder einzelne Höfe im Ort besessen oder von Verwaltern bearbeiten lassen. Nutznießer dieser komplizierten Besitzverteilungen waren seit dem Mittelalter immer wieder das bischöfliche Amt und die Pfarrei Herzogenaurach:
Am 7. Juli 1501 gibt der Bischof Veit von Bamberg zwei Güter an die Pfarrei Herzogenaurach,
1560 gehen sieben Anwesen, 1751 ein Hof und acht "Gütlein", 1800 ein Hof und zwei Güter an das Amt Herzogenaurach.

Darüber hinaus ließ die Gemeinde Oberreichenbach selbst nichts unversucht, ihren eigenen Besitz auszudehnen. Im Jahre 1558 pachtete sie den bambergischen Hof Tanzenhaid (1198 als Tancenhouge erstmals erwähnt) für 5 Jahre.
Über alle diese Besitzungen übte das Amt Herzogenaurach die Vogtei aus, also die Gerichtsbarkeit. Die Gewährung von Schutz und Schirm war eine besondere Rechtsform, die sich in Süddeutschland häufig findet. Der Schutzverwandte unterstellte sich hierbei freiwillig einem Schutzherrn, der gegen eine Zinsleistung dafür den bewaffneten Schutz in Kriegszeiten und bei besonderen Anlässen übernahm.
Für "Reichenbach" (gemeint ist wohl in unserem Fall der größere Ort Oberreichenbach) erhalten wir die Nachricht von Korn- und Haferabgaben im Jahr 1348: es sind die Mengen von 1 1/2 Sümra Korn und 1 Sümra Hafer an das bischöfliche Amt in Herzogenaurach (unter einem Sümra versteht man eine Maßeinheit, die je nach Landschaft oder Herrschaftsgebiet schwankte, im Bamberger Raum kann man es mit etwa 600 Pfund ansetzen).

Bauern entrichten den Grundzins an das Kloster Münchaurach
Bauern entrichten den Grundzins an das Kloster Münchaurach

Neben diesen Angaben für den Schutz von Haus und Hof trafen die Oberreichenbacher auch die sog. "grundherrlichen Lasten". Sie bestanden aus den Grundzinsen und der "Weisat". Die Grundzinsen, auch Zins oder Gült genannt, umfassten wie die Vogteiabgaben Getreideabgaben, die sich nach der Größe des Hofes berechnen. Anfangs (z.B. 1348) wird dieser Getreidezins noch in Naturalabgaben geleistet, im 15. Jahrhundert setzte sich eine teilweise Ablösung in Geld durch, und vom 16. Jahrhundert an wurden fast alle Abgaben in Geld abgelöst.

Bauern entrichten den Grundzins an das Kloster Münchaurach
Bauern entrichten den Grundzins an das Kloster Münchaurach

Unter der "Weisat" versteht man jährliche "Geschenke" der Untertanen, vor allem der Leibeigenen an den Grundherren, die anlässlich der wiederkehrenden An- und Einweisung in die Aufgaben am Bauernhof und auf den Fluren zu entrichten waren. Während die Ablieferungstermine für die Zinsen Walburgis (1.Mai) und Michaelis (29.September) waren, mussten die Abgaben der Weisat zumeist an den kirchlichen Festen abgeliefert werden.
Am 11. November erfolgte die vielerorts bekannte Abgabe der Martinigans, zu Pfingsten und Weihnachten mussten Käse, an Ostern vor allem Eier abgegeben werden. Im Herzogenauracher Raum kam dazu noch die Abgabe von Unschlitt (Rindertalg) zur Herstellung von Kerzen. Schließlich hatte der Grundherr auch noch das Anrecht auf die Fastnachtshenne.
Neben diesen verschiedenen Abgaben standen zusätzliche Dienstleistungen der Bauern und Handwerker an. Diese sog. "Frondienste" (Dienste und Arbeiten für den Grundherren) lagen jeweils auf den Höfen und wurden bei Vererbung oder Verkauf von dem neuen Pächter mit übernommen.
Noch im 16. Jahrhundert hat beispielsweise Oberreichenbach 8 bis 12 "Schmiedtage" im Jahr für das Amt zu arbeiten; zusätzlich müssen 4 Schneidertage erbracht werden. Während für Herzogenaurach die Bevölkerung zu Frondiensten beim Jagen und Fischen für den bischöflichen Verwalter herangezogen wurde, sind diese Aufgaben für Oberreichenbach nicht bekannt.

Stich Mann schlachtet Schwein
Schweineschlachten anno 1517

Akten von 1348 und 1560, im Staatsarchiv Bamberg aufbewahrt, geben Auskunft über die genauen Abgaben Oberreichenbachs in den genannten Jahren. 1348 besitzt der Ort 2 bambergerische Vollhöfe ("mansus") mit Äckern, Wiesen, Garten, Wald- und Gemeinderechten und 5 "Halbhöfe", die durch Teilung oder Neuanlage entstanden waren. Als Abgaben waren Ihnen insgesamt je nach Größe 4 Sümra Korn, 1 Sümra Hafer, 5 Hühner und 45 "voytkes" (Vogtkäse) aufgebürdet. Bis zum Jahre 1560 war nicht nur der Ort Oberreichenbach beträchtlich angewachsen, auch die Anzahl der zum Bistum gehörenden Höfe war trotz der Reformation gestiegen:
7 Lehen und 6 Güter werden als verschiedene Betriebseinheiten urkundlich erwähnt. Ihre Abgaben betragen 18 Pfund und 19 Pfennig in Geld (die Ermittlung der Kaufkraft ist hier nur schwer möglich; doch ist die Summe neunmal so hoch wie 200 Jahre vorher) dazu kommen noch 5 1/2 Sümra Korn, 1 Sümra Hafer, 11 Fastnachtshühner 2 Herbsthühner, 45 Käse, 20 Schmiedtage sowie 4 Schneidertage als Fronarbeit.

Gesellschaft und Politik im 18. und 19. Jahrhundert

Stich Person wird von Mann verfolgt
Leiden im 30-jährigen Krieg

Im Jahre 1735 mussten die Oberreichenbacher mit ansehen, wie das nahegelegene Dörflas in Flammen aufging. Ein "Bösewicht" hatte es auf den Opferstock der Münchauracher Kirche abgesehen. In der Hoffnung, sein Vorhaben besser in die Tat umsetzen zu können, wenn der Ort menschenleer wäre, zündete er ein Haus in Dörflas an. Er hatte seine Rechnung jedoch ohne den Münchauracher Lehrer gemacht; dieser sperrte nämlich die Kirchentüre ab, als er die Sturmglocke läutete. Während Dörflas ein Raub der Flammen wurde und man den Feuerschein weit am Horizont verfolgen konnte, soll der Missetäter auf einem Baum gesessen und dem vergeblichen Versuch der Löscharbeiten zugesehen haben. In seinem Versteck soll er aufgespürt, der Brandstiftung überführt und in Bayreuth seine gerechte Strafe erhalten haben. Dass er "mittelst Pferden in vier Stücke zerrissen" worden sein soll, hat man in unserer Gegend erzählt; doch scheint diese Hinrichtungsmethode eher der blutrünstigen Phantasie damaliger Zeitgenossen zu entsprechen.

Fest steht, dass sich das 18. Jahrhundert mit vielerlei Schrecken und Klagen ankündigte. Große Erwartungen knüpften der Pfarrer Johann Samuel Tröger und die Oberreichenbacher Bürger an die Stiftung der Universität Erlangen im Jahre 1743 durch den Markgrafen Friedrich.
Da in Erlangen künftig auch Priester ausgebildet wurden, erhoffte man sich hiervon endlich die notwendige Besetzung der Filiale Oberreichenbach mit einem eigenen Vikar oder zumindest einem der "studiosi". Leider blieb das Ganze nur eine Hoffnung. Die Theologiestudenten, die hin und wieder die Kanzel der Pfarrkirche betraten, fanden bei den Gläubigen wenig Anklang. Ob das an der mangelnden Erfahrung oder an den fehlenden Fähigkeiten gelegen hat, bleibt ein Geheimnis.

Der 7-jährige Krieg (1756 - 1763) brachte glücklicherweise weniger Elend und Verderben als der Dreißigjährige Krieg. Erst kurz vor Kriegsende kamen die ersten Preußen in die Gegend zwischen Emskirchen und Münchaurach. Selbst die kleinsten Orte mussten Einquartierungen hinnehmen, und es fehlte nicht an "Requisitionen aller Art" (gemeint sind Beschlagnahmungen durch preußische Militärs).

Von einer allgemeinen Teuerungswelle blieb Oberreichenbach 1770/71 nicht verschont. Die Preise für Korn und Weizen schnellten in die Höhe und aus diesem Grund setzten sich (erst!) jetzt der Kartoffelanbau in unserem Gebiet durch. Die Hungersnot, in erster Linie auf schlechte Ernten zurückzuführen, war mit "einer ansteckenden Seuche" verbunden. In der Pfarrei starben in den genannten Jahren 50 Personen, - das waren doppelt so viele wie in den Jahren zuvor. Bedenkt man, dass die Menschen gezwungen waren, den Brotteig mit Erbsenmehl, ja manchmal sogar mit Sägespänen zu strecken, dann kann man sicher verstehen, wie groß die Hungersnot gewesen sein muss; und auch der Erlaß des Bamberger Fürstbischofs wird verständlich, wonach das Kuchenbacken und das Stäuben der Perücken mit feinem Weizenmehl verboten wurde.

Am 22. Dezember 1791 bekamen die Oberreichenbacher einen neuen Landsherren. Der brandenburgische Markgraf Christian Friedrich Karl Alexander (1769-1791) trat noch zu Lebzeiten seinen Besitz an den preußischen König Friedriche Wilhelm III. ab. Man muss diese Amtsübergabe, die für die Untertanen völlig überraschend erfolgte und kurz vor der Abreise des Markgrafen nach London geschah, in Zusammenhang mit den Ereignissen der französischen Revolution sehen. Seit 1789 ging es in Frankreich dem Königshaus und weitreichenden Kreisen des Adels mächtig ins Zeug, ein Fluchtversuch des Bourbonenherrschers Ludwigs XVI. misslang, er wurde schließlich zum Tode verurteilt, - und im angrenzenden deutschen Reich mussten viele ein Übergreifen der französischen Unruhen befürchten.
 
Die hiesige Bevölkerung nahm diese Veränderung gelassen, eher mit Freude zur Kenntnis. Dass man jetzt zu Preußen gehörte, "einem Staate, der nicht bloß groß und geachtet da stand, sondern auch ein geistiges Gewicht in die Waagschale der Zukunft und Ihrer Entwicklung zu legen geeignet schien", stimmte die Untertanen froh und zufrieden. Preußen "verfuhr anfangs in schonender Weise mit der anerworbenen Provinz. Alle Rechte und Privilegien wurden gewährleistet. Auch die kirchlichen Einrichtungen blieben in ihrem Bestande"

Doch schon ab 1796 mischten sich in den Becher der Freude die ersten bitteren Tropfen. Münchaurach und seine eingepfarrten Besitzungen bekamen die ersten Nachteile zu spüren. Das hiesige Klosteramt wurde aufgehoben und mit dem Justitzamt Markt Erlbach bzw. dem Kammeramt Emskirchen vereinigt. Der Chronist vermerkt enttäuscht: "Durch den Abzug der Beamten von Münchaurach schwand das Ansehen dieses Ortes und teilweise auch eine immerhin fühlbare Einahms- und Nahrungs-Quelle. Die Amtswohnungen und Besoldungs-Grundstücke wurden nach der Ämter-Organisation am 9.September 1797 zu Münchaurach verkauft. Sic transit gloria mundi! (So vergeht der Ruhm der Welt!)"
Auch im Rechtswesen gab es Veränderungen. Mit dem Jahre 1795 wurde in Oberreichenbach das "Allgemeine preußische Landrecht" eingeführt und ebenso die "Allgemeine Gerichts- und Prozeß-Ordnung".

Von den sog. Koalitionskriegen, die europäische Staaten mit deutschen Fürsten gemeinsam gegen Frankreich führten, war unsere Gegend bis 1796 glücklicherweise verschont geblieben, da die Kriegsschauplätze vor allem am Rhein gelegen hatten.

Im Laufe der kriegerischen Auseinandersetzungen waren französische Truppen nach 1796 verstärkt in deutsche Lande einmarschiert. Der Bruder des letzten Kaisers des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation", Erzherzog Karl von Österreich konnte die Franzosen 1796 bei Amberg und Würzburg erfolgreich zurückdrängen und so die Regierungszeit von Kaiser Franz noch um 10 Jahre verlängern, bis dieser die Kaiserkrone des deutschen Reichs freiwillig niederlegte.

Ab 1797 sah man in unserer Gegend erste französische Vorposten, "die unter die Einwohner Angst und Schrecken säten". Da der preußische König anfangs seine Neutralität erklärt hatte, blieb unser Gebiet von militärischen Handlungen verschont. 1806 kam es zwischen Preußen und Frankreich zum Krieg, in den auch "mancher waffenfähige Sohn der Gemeinde" ziehen musste. Nach der preußischen Niederlage bei Jena und Auerstedt (14. Oktober 1806) erhielt das Fürstentum Bayreuth einen französischen Gouverneur (Le Grand) und einen französischen Intendanten (Tournon). Für das Gebiet um Münchaurach und Oberreichenbach bedeutete dies zusätzliche Einquartierungen und Kontributionen (Kriegsleistungen).

Mit dem Jahr 1810 trat eine totale Veränderung in Bezug auf die politische und kirchliche Organisation ein. Der bayerische Kurfürst Maximilian IV. Josef (ab 1806 König von Bayern als Maximilian I. Joseph) hatte sich 1806 Napoleon angeschlossen (in der sog. Rheinbundakte) und wurde nun für sein Paktieren auf französischer Seite belohnt: Nach Augsburg und Nürnberg (1806) kamen jetzt auch Bayreuth und Regensburg und mit ersterem auch unser Gebiet an die wittelsbachische Krone.

Das bisherige Kammeramt Emskirchen, zu dem Oberreichenbach bisher gehört hatte, wurde aufgelöst, und ab 16. August 1811 wurde das hiesige Gebiet dem königlichen Rentamt Neustadt / Aisch unterstellt. Zuständig für die Polizei- und Gerichtsfälle war ab 12. Februar 1812 das ehemalige Justizamt Markt Erlbach, das in "ein königliches Landgericht dortselbst" umgewandelt wurde.

Die Nachwehen der napoleonischen Kriege waren im Aurachtal und seinen angrenzenden Orten bis 1816 zu spüren gewesen. Zwar war "unser Boden nicht mit dem Blute der vielen tausend Kämpfer" getränkt worden, und die "Häuser von den feindlichen Brandfackeln verschont geblieben", doch der Durchzug feindlicher und befreundeter Mächte war nicht spurlos an der Zivilbevölkerung vorbeigegangen. Russische, Italienische und Portugiesische Truppen, um nur einige zu nennen, hatten für genügend Unruhe und Unsicherheit gesorgt.

Die Jahre 1816 und 1817 brachten große Versorgungsschwierigkeiten, -selbst für die Landbevölkerung. "Durch andauernde Nässe entstand … eine überaus drückende Teuerung". Getreide-, Brot-, Kartoffeln- und Fleischpreise stiegen erheblich, und die Leiden der Bevölkerung schienen kein Ende zu nehmen.

Auch in den folgenden Jahren ergaben sich noch manche Veränderungen, die jedoch den Einzelnen weniger berührten als die verantwortlichen Politiker oder den Münchauracher Pfarrer. Mit dem 8. Februar 1817 wurden alle Katholiken aus Oberreichenbach und Münchaurach und Umgebung dem Pfarrersprengel Herzogenaurach zugeteilt; die Herzogenauracher Protestanten wiederum nach Münchaurach "umgepfarrt". Die Ortschaft Tanzenhaidt wurde zur Filialkirche Oberreichenbach gezogen und das gesamte genannte protestantische Gebiet vom Dekanat Erlangen abgetrennt und dem Dekanat Markt Erlbach zugeteilt. Doch bedeutete dies nur eine vorläufige Veränderung; denn 1846 wurde Münchaurach selbstständiges Dekanat.

Am 19. November 1837 trat eine Gebietsreform im Königreich Bayern in Kraft. Mit allerhöchster Verfügung wurde die Pfarrei Münchaurach mit Ihrer Filiale Oberreichenbach, aber ohne Tanzenhaidt, dem Landgericht Herzogenaurach unterstellt und dem Regierungsbezirk Oberfranken zugeteilt. Dies sollte die letzte große Umstrukturierung bis zur Gebietsreform im Jahre 1972 bleiben.

Die Bevölkerung im 19. Jahrhundert

Innerhalb der Gemeinde Oberreichenbach hat sich, was die Bevölkerungsstruktur anbetrifft in Jahrhunderten wenig geändert. In den Kirchenbüchern sind lediglich Zuwanderungen von protestantischen Flüchtlingen aus Österreich vermerkt (1654-1672). Die Oberreichenbacher waren und blieben vor allem landwirtschaftlich orientiert. Daneben spielte das Handwerk eine bedeutende Rolle.

Zuverlässige Angaben über Familien und Personen enthalten die Kirchenbücher ab dem Jahre 1695. Wir finden dabei durchaus Namen, die als Oberreichenbacher Familiennamen heute noch bekannt sind. Freilich hat sich die Schreibweise in den vergangenen Jahrhunderten vielfach verändert. Hans Hayger und Hans Stumpner werden für das Jahr 1695 als Gotteshaus- bzw. Kirchenstiftungspfleger genannt. Es folgen weitere bekannte Oberreichenbacher Hausnamen:

Altes Foto Familie Stumptner
Familie Stumptner anno 1916

1724 - Georg Kreß und Georg Stumpner
1725 - Johann Adam Hetzer
1730 - Johann Peter Frühwald
1738 - Christoph Decker
1744 - Matthes Lehner
1758 - Ulrich Hetzar
1766 - Karl Sixt
1774 - Johann Friedrich Haerting
1776 - Ulrich Reiss
1777 - Johann Michael Schaertel
1821 - Peter Stumptner
1822 - Andreas Pfaender
1824 - Veit Kaltenhaeusser
1838 - Georg Pfaender
1844 - M. Neudecker
1850 - Johann Friedrich Stumptner
1855 - Johann Peter Stumptner
 
Für Unterreichenbach sind folgende Kirchenvorsteher bezeugt, die ihre Aufgabe aber in der Pfarrkirche in Münchaurach versahen: 1718 Hans Stang; 1734 Melchior Vogel; 1751 Johann Helffert.
Für den Nankenhof ist für die Mitte des letzten Jahrhunderts ein Johann Andreas Hopf als Beisitzer und Abgeordneter des Distrikts bei den Synoden in Ansbach und Bayreuth vermerkt.
Genauere Angaben über die Aufgaben der Mitglieder des Kirchenvorstandes erhalten wir in den Jahren 1863 bis 1865. Die Bauern Georg Hetzar und Johann Graef, Gemeindevorsteher aus Oberreichenbach bzw. Unterreichenbach stehen dem Pfarrer mit Rat und Tat zur Seite. Bei den Gottesdiensten werden sie von den Bauern Peter Stumptner und Peter Mertel, dem Schneidermeister Michael Heicker und dem Landwirt Joh. Hussnetter unterstützt. Sie sammeln beispielsweise mit dem Klingelbeutel die Opfergelder ein und helfen dem Lehrer bei der Vorbereitung des Gottesdienstes. Das wenig angesehene Amt des Totengräbers und Blasebalgtreters für die Orgel versieht der Gütler Marting Reiss.
Zu den engsten Mitarbeitern des Pfarrers gehören weiterhin die Hebamme und der Chirurg. Die Hebammendienste vesieht um 1866 die Ehefrau des Münchauracher Gütlers Ergé (Helene Ergé).
Dem Chirurgen aus Münchaurach oblag die Aufgabe, den Totenschein auszustellen. Der Totenbeschauer für die Herzogenauracher Protestanten und der für die aus Oberniederndorf (es ist der Emskirchner), liefern ihre Totenscheine gleichfalls am Pfarramt in Münchaurach ab. Allerdings beklagt sich der Pfarrer darüber, dass jeder der drei Genannten eine andere Bezeichnung für das Bekenntnis verwendet! Die Bezeichnung "protestantisch, lutherisch und evangelisch" kommen für die eine christliche Religion vor; sein Vorschlag lautet daher, als Bezeichnung für die evangelische Konfession die Formulierung "evangelisch-lutherisch" zu verwenden.
Im Jahre 1866 zählt die gesamte evangelische Pfarrei Münchaurach 1452 Personen. In Münchaurach selbst wohnen 100 Familien mit 168 männlichen und 205 weiblichen Einwohnern in ca. 60 Häusern. In Oberreichenbach sind es ca. 35 Häuser, in denen 48 Familien Platz finden. Auch damals herrschte in der Gemeinde Frauenüberzahl, nämlich 13 weibliche Personen. Von den 121 Männern waren 68 konfirmiert, von den 134 Frauen 76. Auf die Gesamteinwohnerzahl von 255 entfielen also 111 Kinder, die noch nicht konfirmiert waren.

In Unterreichenbach lebten zur selben Zeit in 19 Familien, -auf 15 Häusern verteilt-, 105 Einwohner (50 männlichen, 55 weiblichen Geschlechts). In beiden Ortschaften gab es keine Mischehen; lediglich in Herzogenaurach und seinen unmittelbaren Nachbargemeinden waren 19 Mischehen eingetragen, in denen die Kinder allesamt katholisch erzogen wurden.
Voller Stolz vermerkt der Geistliche, dass in Oberreichenbach und in Unterreichenbach jeweils nur ein katholischer Dienstbote gemeldet ist, und dass vor allem keine Mitglieder von Sekten sich in seinem Pfarrbezirk aufhalten.

Während die rechtlichen Verhältnisse in Münchaurach klar und eindeutig geregelt sind, -seit der Reformation gehörte der Ort bekanntlich zu Bayreuth-, sind die Rechtsverhältnisse in Oberreichenbach seit dem genannten Zeitraum bedeutend schwieriger gewesen. Auf Grund der unterschiedlichen Besitzungen gab es drei verschiedene Gerichtsbarkeiten klösterlich, bambergisch und adelig. Seit der Reformation war das Gericht in Emskirchen, nach der Auflösung des Hochstifts Bamberg (1802/03) zusätzlich das Landgericht Markt Erlbach und schließlich das "Freiherrliche von Crailsheimische Patrimonial-Gericht 1. Klasse zu Neuhaus" zuständig, bevor der Ort insgesamt an das Gericht in Herzogenaurach kam.

Altes Foto Gasthaus Freyung
Gasthaus Freyung (Fam. Neudecker) anno 1912

Aus dieser Zeit der komplizierten Rechtsverhältnisse stammt auch die Oberreichenbacher "Freyung". Sie war einst ein dem Crailsheimer gehörendes Gut, auf dem solchen Sündern Asyl gewährt wurde, die keine besonders schweren Verbrechen begangen hatten, -ein modernes Resozialisierungszentrum im heutigen Sinn und gewiss kein Verbrechernest, wie misstrauische Zeitgenossen hin und wieder mutmaßten. Für diese Freyung ist Mitte des vergangenen Jahrhunderts ein "Wirtschaftsgebäude" (also eine Gastwirtschaft) der Familie Neudecker nachgewiesen.
 
Abenteuerlust und in erster Linie der Wunsch nach einer besseren Zukunft haben um die Mitte des 19. Jahrhunderts auch einige Mitglieder der Pfarrei zur Auswanderung nach Amerika veranlasst. Die Bevölkerung nimmt bis zum Jahre 1898 in der Gesamtpfarrei ab; man zählt in diesem Jahr insgesamt noch 1386 Menschen. In Oberreichenbach sinkt die Einwohnerzahl von 255 (im Jahre 1866) auf 217, in Unterreichenbach von 105 auf 101.

Die Kriege von 1866 und 1870/71 sowie der 1. Weltkrieg haben ebenfalls dazu beigetragen, dass die Bevölkerung im Dekanat Münchaurach nicht zugenommen hat. Peter Stumptner, Georg Stumptner, Johann Mader und Peter Studtrucker aus Oberreichenbach kämpften im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71.
Michael Winter aus Unterreichenbach war sogar in Algier in französische Gefangenschaft geraten.
Das siegreiche Ende dieses Krieges und die langersehnte Gründung des deutschen Reiches feierte die Bevölkerung am 12.3.1871 mit einem Friedensfest. Als man am 19. Oktober 1913 mit Freudenfeuer und einer vaterländischen Ansprache der 100sten Wiederkehr der Völkerschlacht von Leipzig gedachte, ahnte noch niemand, dass ein knappes Jahr später 217 Soldaten (bei knapp 300 Familien) aus dem Pfarrsprengel in Deutschlands Armeen an den verschiedensten Fronten im 1. Weltkrieg dienen mussten. In der ersten Augustwoche 1914 betete die Bevölkerung in besonderen Gottesdiensten um einen raschen Frieden; nachdem sich der Krieg länger hinzog, wurden in der Pfarrkirche eigene Gebetsstunden ohne Orgelbegleitung eingeführt. Als die deutschen Truppen 1918 kapitulieren mussten, wartete manche Familie vergebens auf die Rückkehr des Mannes, Vaters oder Bruders nach Oberreichenbach und Münchaurach.

Quellenangaben

Text:
Auszug aus "Oberreichenbach und seine Geschichte" (Klaus-Peter Gäbelein, 1981)

Bilder:
"Tanzenhaid" - Episoden aus der Geschichte eines verschwundenen Dorfes (Walter Siegismund, 1993)
"Oberreichenbach und seine Geschichte" (Klaus-Peter Gäbelein, 1981)
und aus eigenem Archiv